Crowdfunding und Film
Deutsche Filmproduzenten nehmen Crowdfunding noch immer nicht richtig ernst. Dabei werden viele Möglichkeiten außer Acht gelassen, die uns das Crowdfunding eröffnen könnte, würden wir es richtig anpacken!
Wie Crowdfunding für Filme besser eingesetzt werden kann - und was bisher oft falsch lief...
Crowdfunding ist in aller Munde

Es ist inzwischen längst zu einer ernstzunehmenden Finanzierungs-Möglichkeit für viele Bereiche unserer Gesellschaft geworden. Nicht nur aus dem Alltag vieler Kunst-Schaffender und Startups ist es nicht mehr wegzudenken - es werden soziale Projekte, öffentliche Infrastruktur, Seminare, Veranstaltungen, politische Aktionen und sogar private Wünsche durch Crowdfunding ermöglicht, die ohne dieses Finanzierungstool nicht realisiert werden könnten. Und natürlich ist Crowdfunding auch wesentlicher Bestandteil der Finanzierung vieler Filmprojekte auf der ganzen Welt.
Moment... Crowd-was??
Crowdfunding ist eine neue Form der Finanzierung durch viele kleinere, individuelle Beträge, die von einer großen Gruppe von Menschen beigesteuert werden. Da die Unterstützer für ihr Geld oft eine (ideell und/oder materiell) wertvolle Gegenleistung erhalten (z.B. eine limitierte oder signierte DVD, ein Filmplakat, exklusiven Zugang hinter die Kulissen...), ist diese Form der Finanzierung sehr beliebt - aber nicht zu verwechseln mit klassischem Spenden.
Rechtlich gesehen ist (das sogenannte 'reward-based') Crowdfunding meist ein Kaufvertrag, in etwa vergleichbar mit der Vorbestellung eines Buches, das noch nicht erschienen ist, bei einem Online-Buchhändler.
Crowdfunding für Filme wird aber noch unterschätzt
Crowdfunding funktioniert zwar im Prinzip immer gleich - man unterstützt ein Projekt und bekommt dafür (später) eine Leistung - doch Filmprojekte unterscheiden sich in einigen Punkten grundsätzlich. Der Finanzbedarf ist in der Regel deutlich höher als bei anderen Kunstprojekten, und dadurch ist es nahezu unmöglich, eine (deutsche) Kinofilm-Produktion zu 100% durch die Crowd zu finanzieren. Leider wird Crowdfunding alleine aus diesem Grund von vielen Produzenten noch nicht wirklich ernstgenommen. Dazu kommt, dass der Arbeitsaufwand, den eine Crowdfunding-Kampagne erfordert, recht hoch ist und in keinem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis zu stehen scheint. (Ein Trugschluss, doch später mehr...)
Was bisher falsch läuft
Wenn Crowdfunding in Deutschland für eine Spielfilm-Produktion bisher in Betracht gezogen oder sogar ausprobiert wurde, hat man allermeistens das Crowdfunding-Pferd von hinten aufzuzäumen versucht - man hat Crowdfunding wie selbstverständlich nur als Schlussfinanzierung gedacht. Sprich: erst als das Filmprojekt fertig entwickelt, Stab und Besetzung festgelegt und alle anderen Finanzierungsquellen abgeschöpft waren, wurde die Crowd bemüht um die Finanzierung zu schließen. Natürlich ist das für potentielle Fans nicht sonderlich ansprechend, quasi als reine Geldgeber betrachtet zu werden, wenn alle anderen Stricke reißen. Um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir uns fragen:
Was ist eigentlich die Motivation der Crowd?
Die Freiheit des Internets, Ort und Zeit selbst zu bestimmen und aus einem riesigen Angebot von Content wählen zu können - im Kontrast zu Kino und Fernsehen - hat die Sehgewohnheiten und das Selbstverständnis der nachwachsenden Generationen von Grund auf verändert. Statt wie bisher 'essen zu müssen was auf den Tisch kommt', möchte das jüngere Publikum mitentscheiden, welche Filmprojekte wie realisiert werden sollen.
Crowdfunding ist eine Möglichkeit der Demokratisierung von Kunst und Kultur, und in unserem Fall eine Chance für die Branche, das jüngere Publikum zu halten.
Der wichtigste Anreiz für Unterstützer*innen eines Crowdfunding-Projekts ist, mit ihrer Hilfe ein Projekt überhaupt zu ermöglichen! Es fühlt sich gut an, Teil eines Ganzen zu sein - gemeinsam etwas zu bewirken, von Anfang an dabei zu sein und ein Projekt in seiner Entstehung mitzuerleben... Noch stärker wächst das Engagement der Crowd, wenn sie ein Projekt mitgestalten darf, also bei wichtigen Entscheidungen nach ihrer Meinung gefragt wird.
Doch wenn man die Crowd erst zum Schluss versucht einzubeziehen, werden diese Effekte komplett umgekehrt! Es drängt sich für viele die Frage auf: 'Warum soll ICH da noch Geld reingeben? Da sind doch schon Sender und die Förderung mit im Boot!' - Die Crowd fühlt sich benutzt, man empfindet das als 'Betteln' oder schlimmer noch 'Abzocke', wie so manche Macher mit Entsetzen den Kommentaren und Sozialen Netzwerken entnehmen durften. Das Spannende für die Crowd, nämlich die Entwicklung des Projekts, wurde ihr vorenthalten.
Für die Macher ist / wäre es entsprechend aufwändiger oder gar unmöglich, die Crowd dennoch von dem schon fix und fertig geschnürten Paket zu begeistern.
Crowdfunding ist mehr als reine Geldbeschaffung
Doch um die Möglichkeiten des Crowdfunding effektiv nutzen zu können, darf man es nicht als reine Geldbeschaffung betrachten. Wenn man es richtig einsetzt, stellt die Crowd nicht nur Geld, sondern auch eine Vielfalt von Leistungen zur Verfügung (die allerdings auch Geld wert sind)! Das fängt an bei einfacher Mund-zu-Mund-Propaganda, geht über die Entwicklung des Projekt gemeinsam mit der Zielgruppe (=Crowd), bis hin zu handfesten Marktanalysen, die für die weitere Finanzierung viel hilfreicher sind als teure (aber theoretische) Schätzungen.
Crowdfunding, richtig eingesetzt, ist keine Schlussfinanzierung, sondern Initialzündung! Es muss am Anfang der Finanzierung - oder gar der Projektentwicklung stehen. Schauen wir uns das mal im EInzelnen an:
Multiplikatoren und Early Adopters
Eine Crowdfunding-Kampagne ist natürlich in erster Linie Marketing! Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt werden potentielle Zuschauer*innen in das Projekt involviert und damit zu Fans, zu wichtigen Multiplikatoren, an das Projekt gebunden. Da sie das Projekt in der Entwicklung erleben und selbst mit ermöglicht haben, sehen sie sich als Teil des Projekts und werden später, wenn der Film ins Kino kommt natürlich gerne in ihren Freundeskreisen und Netzwerken für den Film werben.
Besonders gut ist das z.B. den Machern des Stromberg-Films gelungen. Deren Unterstützer*innen sind finanziell am Erfolg des Films beteiligt, und haben dementsprechend ein persönliches UND finanzielles Interesse am Erfolg des Films. (Es gibt Leute, die großen Filmprojekten wie Stromberg unterstellen, das Crowdfunding einzig aus Marketinggründen zu betreiben, weil sie das Geld eigentlich nicht nötig haben sollten! Auf diese Frage sollte man vorbereitet sein.)
Dieses (später kostenlose) Marketing und das Community-Building sind Geld wert und das darf nicht in der Kosten-Nutzen-Rechung einer Crowdfunding-Kampagne fehlen!
Wer weiß, was das Publikum will?
Vor dem Durchbruch von Social Media war das Filmemachen eine eingleisige Kommunikationsform - von Macher zu Publikum. Den ersten Anhaltspunkt darüber, wie das Publikum einen Film aufnimmt, hatte man erst bei Kinostart oder Erstausstrahlung. Als entsprechend finanziell riskant gelten Filmproduktionen noch heute. Üblicherweise geht man von einem Blockbuster-Ratio von ca. 1:10 aus, das heißt 1 Blockbuster muss 10 Filme finanziell tragen, die ihre Herstellungskosten nicht einspielen. (In Deutschland wird dieses Ungleichgewicht von der Filmförderung abgefangen.)
Was das Publikum will? Wird spekuliert! Wer schon mal einen Film finanziert hat, kann ein langes langes Lied davon singen, wieviele Personen im Filmgeschäft ganz genau zu wissen vorgeben, was das Publikum will. Oft basiert dieses Wissen auf jahrzehntelanger Erfahrung, und ist von Person zu Person nicht immer übereinstimmend. Die Folge sind risikoarme gemeinsame Nenner - Kompromisse nach dem Prinzip 'Nummer Sicher'. Und entsprechend schwierig haben es Innovationen oder ungewöhnliche Ideen, die auf aktuelle Entwicklungen bezugnehmen, denn dafür gibt es keine Zahlen, Vergleichsdaten und Erfahrungswerte.
Markt-Analyse statt Spekulation
Aber tatsächlich weiß natürlich das Publikum selbst am Besten darüber Bescheid, was es denn gerne sehen möchte. Daher ist eine erfolgreich abgeschlossene Crowdfunding-Kampagne, bei der 1000de Fans ihr (Taschen-) Geld in ein Projekt gesteckt haben, viel viel aussagekräftiger als spekulative 'gemeinsame Sicherheits-Nenner' und ein guter Anhaltspunkt für den potentiellen Erfolg eines Filmprojekts! (Amerikanische Filmprojekte haben nach einem erfolgreichen Crowdfunding inzwischen deutlich höhrere Chancen, Investoren zu finden. In Deutschland übernimmt die Filmförderung zum Glück die Rolle der Investoren; das heißt aber auch, dass die Filmförderung diese Entwicklung hoffentlich adaptieren wird, um die Marktauglichkleit des Deutschen Films weiterhin zu gewährleisten.)
Das ermöglicht Produzenten einerseits, das Marktpotential innovativer Stoffe nachzuweisen, und andererseits aber auch Flops vermeiden, wenn man eben schon sehr früh feststellen muss, dass es leider KEIN Publikum für einen bestimmten Stoff gibt.
Full-Duplex
Darüber hinaus geben die Sozialen Netzwerke heutzutage den Filmemachern und Produzenten die Möglichkeit, mit ihrem Zielpublikum von Anfang an in zweigleisigen Dialog zu treten, ihre Stoffe GEMEINSAM mit dem Publikum zu entwickeln. Wichtige Fragen können direkt mit dem Publikum abgeklärt werden (z.B. über Wunschbesetzung, Musik, Spielorte). Durch dieses Feedback wird das Projekt viel besser auf die Zielgruppe zugeschnitten als durch das Fischen im Trüben, das Autoren bisher alleine in ihren Kämmerchen betreiben mussten, oder durch kompromisslerisches Zurückstutzen innovativer Ideen in den Redaktionssitzungen. Ungereimtheiten werden bereits in einem frühen Entwicklungsstadium erkannt - statt wie bisher bei der Abnahme des Rohschnitts oder gar im Probescreening - und können entsprechend kostengünstiger ausgebessert werden. Das Zielpublikum wird in die Gestaltung einbezogen und damit noch stärker an das Projekt gebunden. Besonders die Identifikation der 'Early Adopters' mit dem Projekt ist später für das Marketing sehr wertvoll!
Dieses 'Crowdsourcing' lässt sich perfekt mit dem Crowdfunding verbinden, da man damit während der Kampagne immer wieder Aufmerksamkeit auf das Projekt lenken kann, eine Community aufbaut und Fans kontinuierlich aktiviert. Das Crowdfunding selber wird damit zum Event! Das oft zitierte Blockbuster-Flop-Verhältnis von 1:10 könnte sich schließlich deutlich verschieben, die vorhandenen (Förder-) Mittel sinnvoller verwendet werden...
Und die direkte Kommunikation mit der eigenen Zielgruppe und die damit verbundenen konkreten Anhaltspunkte zur Markttauglichkeit eines Filmprojekts ist für Produzenten auch ein wirksames Mittel gegen den übermäßigen Einfluss der Sender, der - wenn wir ehrlich sind - uns allen gehörig auf den Keks geht! ;)
Crowdfunding -
der heilige Gral?
Doch ist das jetzt der Durchbruch für die (deutsche) Filmbranche? Seit Jahren sinken die Budgets, in immer kürzerer Zeit sollen Filme und TV-Inhalte in immer höherer Qualität produziert werden. Könnte Crowdfunding die Rettung sein?
Leider waren bisher nur wenige Crowdfunding-Versuche in Deutschland so erfolgreich wie die Kampagne für den Stromberg-Film, die innerhalb einer Woche 1 Million Euro eingebracht hat.
Der Produzent Frédéric A. Komp behauptet in seinem Interview: 'Das schafft nur der Papa.' - was natürlich nicht ganz stimmt, aber im Prinzip werden es ihm nur wenige Filmprojekte in dieser Größenordnung nachmachen können. Eine große Marke, eine hohe Anzahl von aktiven Fans, ein bestehendes Produkt oder ein Star sind dafür nötig. Wer also im Crowdfunding einen heiligen Gral sieht, wird zwangsläufig enttäuscht werden.
Es lohnt sich aber durchaus auch in deutlich kleinerem Rahmen Crowdfunding für Filme zu betreiben, wie wir hoffentlich mit diesem Artikel verdeutlicht haben - auch wenn die Geldsummen in absehbarer Zukunft nur einen geringen Teil der Finanzierung von Kinoproduktionen ausmachen werden:
Crowdfunding ist weit mehr als reine Geldbeschaffung!
Wenn Ihr Hilfe oder Beratung benötigt für die Crowdfunding-Kampagne eures Filmprojekts, egal ob Kino, Kurzfilm, Crossmedia-Projekt, etc... kontaktiert uns einfach! :)
Ein sehr informativer Artikel zum Thema Crowdfunding. Den Begriff haben sicherlich schon einige viele gehört, aber was tatsächlich dahinter steckt, das wissen nur die wenigen. Da wird dieser Artikel ganz sicher dem ein oder anderen eine große Hilfe sein.
"Bisher waren nur wenige Crowdfunding-Versuche in Deutschland erfolgreich. Eine große Marke, eine hohe Anzahl von aktiven Fans, ein bestehendes Produkt oder ein Star sind dafür nötig". Ist der Film Stromberg das einzig gute Beispiel? Dann sollte man als Co-Produzent lieber die Finger davon lassen?! Keine gute Werbung für Crowdfunder.
Als ich den Artikel 2014 geschrieben hatte, standen gerade einige CF-Platformen in den Startlöchern, die sich auf Film spezialisiert hatten. Sie haben Crowdfunding NICHT weitergedacht, wie ich es ihnen in persönlichen Gesprächen geraten hatte, sondern die Crowd konsequent als naive Geldgeber betrachtet, wie ich es im Artikel schon unter 'WAS BISHER FALSCH LÄUFT' kritisiert hatte. Nein, für diese typisch deutsche Art Crowdfunding möchte ich auch keine Werbung machen.